Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Kostenfreiheit für die Einrichtung eines elektronischen Bürger- und Organisationspostfachs für Sachverständige

Mit einem Schreiben haben sich die drei sächsischen Handwerkskammern an die Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung, Katja Meier, gewandt und darin unter anderem die Kostenfreiheit für die Einrichtung eines sogenannten elektronischen Bürger- und Organisationspostfachs (eBO) für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige des Handwerks gefordert:

Durch das „Gesetz zum Ausbau des Elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften“ vom 05.10.2021 ist mit dem elektronischen Bürger- und Organisationspostfachs (eBO) ein weiterer „sicherer Übermittlungsweg“ geschaffen worden. Seit dem 01.01.2022 steht dieser sichere Übermittlungsweg auch Sachverständigen im Gerichtsauftrag offen.

Die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen des Handwerks sind im Gerichtsverfahren wesentliche Beteiligte. Streitige fachlich-technische Vorfragen der Verfahrensbeteiligten und des in der Regel sachunkundigen Gerichts, die für die rechtliche Beurteilung des Streitstoffs durch das Gericht relevant sind, können oftmals nur durch Sachverständige gutachtlich geklärt werden. Tatsächlich ist der Sachverständigenbeweis unter Hinzuziehung von Sachverständigen des Handwerks gerade in Zivilverfahren unverzichtbar. Fehlende Sachverständige des Handwerks können auch nicht ohne weiteres durch Sachverständige anderer Bestellungskörperschaften aufgrund des Bestellungsgebietes ersetzt werden, wie z.B. durch Sachverständige der Industrie- und Handelskammern.

Die Sächsischen Handwerkskammern sehen die Sachverständigen im gesamten Digitalisierungsprozess der öffentlichen Verwaltung und bei der Einführung des eBO nicht nur nicht ausreichend, sondern gar nicht berücksichtigt und die Sachverständigen schlichtweg übersehen worden sind und die Folgen für die Sachverständigen beziehungsweise das Sachverständigenwesen an sich nicht erkannt wurden. Dies führt dazu, dass die Sachverständigen aufgefordert werden, sich einerseits um einen sicheren Übermittlungsweg zu kümmern und zum anderen dafür auch noch die Kosten selbst zu tragen.

Derzeit ist die Einrichtung eines eBO durch Sachverständige zwar noch freiwillig, wird aber vermutlich nach dem aktuellen Wortlaut des Gesetzes ab 2024 zur Pflicht (passive Nutzungspflicht). Unklar ist deshalb, ob ab 2024 diese passive Nutzungspflicht für Sachverständige besteht. Faktisch wird im Übrigen jetzt schon von den Sachverständigen im Gerichtsauftrag erwartet, dass diese ein eBO eingerichtet haben und so die elektronische Kommunikation auf einem sicheren Übermittlungsweg ermöglichen. Bei Sachverständigen, die das nicht tun, kann es dazu kommen, dass diese keinen Gutachtenauftrag mehr erhalten.

Eine Sachverständigentätigkeit ist für Sachverständige und Interessenten aus dem Handwerk nur solange attraktiv, solange sich diese auch rechnet.

Die Einrichtung eines eBO ist für die Sachverständigen kostenintensiv. Für viele Sachverständige wird ihre Tätigkeit dadurch schlicht unwirtschaftlich(er). Die Sächsischen Handwerkskammern haben ermittelt, dass ihre Sachverständigen durchschnittlich maximal zwei Gerichtsgutachten im Jahr erstatten. Demgegenüber stehen derzeit Kosten von circa 80 Euro monatlich, um eBO-Anwendungen und ein Postfach vorzuhalten.

Es wird befürchtet, dass die voraussichtlich ab 2024 verpflichtende zusätzliche Kostenlast durch das eBO für die öffentlich bestellten Sachverständigen des Handwerks durchaus das Potential hat, dass diese ihre bisherige Tätigkeit aufgeben werden, obwohl sie es ohne weiteres fortsetzen könnten und dürften. Eine weitere Kostenlast für das eBO zu Lasten der Sachverständigen könnte so den ohnehin bereits bestehenden signifikanten Abwärtstrend bei der Anzahl der zur Verfügung stehenden öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen noch verstärken.

Außerdem werden die Handwerkskammern kaum noch neue Fachleute aus dem Handwerk von einer Sachverständigentätigkeit überzeugen und dafür gewinnen können, wenn diese für Interessenten an einer Sachverständigentätigkeit insgesamt wirtschaftlich unauskömmlich und damit nicht mehr attraktiv erscheinen wird. Das Sachverständigenwesen im Handwerk hat die Besonderheit, dass die Sachverständigen diese Tätigkeit im Wesentlichen nebenberuflich zum Handwerksbetrieb und nicht hauptberuflich ausüben. Außerdem müssen Sachverständige während ihrer Bestellungszeit sehr viel Zeit und Kosten für Fortbildung investieren, wenn sie wiederbestellt werden wollen. Diesen wirtschaftlichen Aufwand, um das Engagement als Sachverständiger aufrecht zu erhalten, haben die Sachverständigen der drei Sächsischen Handwerkskammern bisher weitgehend mitgetragen.

Die Handwerkskammern beobachten im Rahmen der Neu- und Wiederbestellung von Sachverständigen im Handwerk seit einigen Jahren aber einen signifikanten Rückgang, der dem bundesweiten Trend entspricht. Konkret bedeutet dieser Trend, dass die Anzahl der von den Handwerkskammern öffentlich bestellten Sachverständigen kontinuierlich sinkt: Die Sächsischen Handwerkskammern haben aktuell 245 Sachverständige des Handwerks im Freistaat Sachsen öffentlich bestellt und vereidigt. Vor fünf Jahren waren es noch 299 Sachverständige. Gleichzeitig ist der Bedarf an Gutachterleistungen aber nicht weniger geworden.

Damit stehen zukünftig Auftraggebern aus der Justiz, von den Behörden und Verbrauchern in Gerichtsverfahren immer weniger neutrale Experten zur Beurteilung handwerklicher Leistungen und Rechnungen zur Verfügung. Dies schwächt letztlich den gesetzlichen Auftrag, dafür zu sorgen, dass es für Justiz und den Markt ausreichend neutrale Sachverständige gibt. Schon heute finden Gerichte für die Verfahren nicht mehr ausreichend Sachverständige oder die bundesweite Suche führt zu erheblichen Verfahrensverlängerungen zulasten aller Beteiligten eines Prozesses.

Es sollte daher eigentlich im öffentlichen Interesse sein, dass für Rahmenbedingungen gesorgt wird, die eine auskömmliche und wirtschaftlich attraktive Sachverständigentätigkeit ermöglichen und diese nicht be- beziehungsweise verhindert wird.

Die öffentliche Bestellung und Vereidigung nimmt in unserer Rechtsordnung einen festen Platz ein und liegt im öffentlichen Interesse. Daher erwarten die Kammern angesichts der beschriebenen aktuellen Situation und dem Bedarf im Sachverständigenwesen, dass die Kostenfreiheit für die Einrichtung eines eBO für Sachverständige ermöglicht wird. Außerdem sollte geprüft werden, ob für die Sachverständigen ab 2024 eine passive Nutzungspflicht des eBO gilt.

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