Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich seiner Wiederwahl

In der konstituierenden Sitzung der Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz am 19. März 2022 wurde Präsident Frank Wagner in seinem Amt bestätigt. Anlässlich seiner Wiederwahl hielt er vor den Mitgliedern der Vollversammlung folgende Rede:

Es gilt das gesprochene Wort!

"Ich bedanke mich bei Ihnen allen ganz herzlich für die erneute Wahl zum Präsidenten der Handwerkskammer Chemnitz und das damit verbundene Vertrauen. In den vergangenen fünf Jahren habe ich, haben wir gemeinsam, stets die Interessen des Handwerks im Kammerbezirk in all seinen Facetten vertreten. Wir haben untereinander, aber auch gegenüber anderen stets sachlich argumentiert und diskutiert und sind nicht überall erfolgreich gewesen. Das gehört aber dazu.

Als ich mich am 19. November 2016 hier an dieser Stelle für meine erstmalige Wahl zum Präsidenten der Handwerkskammer Chemnitz bei den Vollversammlungsmitgliedern bedankt habe, habe ich folgende Schwerpunkte meiner Arbeit angekündigt: Stabilität und Wachstum des Handwerks, die Interessenvertretung in Land, Bund und EU, die zukunftsorientierte Aus- und Weiterbildung und die regionale Vernetzung der Handwerkskammer.

Wir haben hier sicherlich viel erreicht. Dennoch bleiben diese Themen weiterhin aktuell und müssen noch stärker vertieft werden. Die Corona-Krise mit all ihren Begleiterscheinungen hat diese Notwendigkeit nochmals unterstrichen. Wir Handwerkerinnen und Handwerker leisten jeden Tag hervorragende Arbeit, so auch während der Corona-Pandemie und trotz aller Hindernisse und Vorgaben, die es einzuhalten galt und an vielen Stellen auch noch gilt.

Corona hat uns aber auch eins gezeigt, weltweite Ereignisse sind nicht weit weg, sie klopfen direkt oder indirekt an die Eingangstüre unseres Betriebes, der Werkhallen und der Ladengeschäfte im Handwerk:

  • Sie betreffen das Straßenbauunternehmen mit Aufträgen in ganz Deutschland, weil krisenbedingt die Kosten für Sprit in ungeahnte Höhen steigen und kein Ende in Sicht ist.
  • Sie betreffen den Bäcker im Erzgebirge mit jahrzehntelanger Familientradition, der keine Auszubildenden mehr findet, weil es keine richtige Berufsorientierung mehr gibt.
  • Sie betreffen den Zimmererbetrieb, der im Nachbarort eigentlich ein Carport errichten wollte, aber kein Holz im Großhandel beziehen oder nur zu Höchstpreisen einkaufen kann.

Ich möchte kurz auf diese drei genannten Beispiele eingehen, denn diese werden die Hauptthemen der kommenden fünf Jahre für unser Handeln sein:

Erstens: Die Energiepreise steigen in ungeahnte Höhen und es zeigt sich einmal mehr, dass die ambitionierten deutschen und letztlich auch europäischen Klimaschutzziele für uns alle – egal ob Bürger oder Wirtschaft – eine enorme Herausforderung werden. Gewachsene Wirtschaftsstrukturen sollen innerhalb weniger Jahre einem kompletten Wandel unterliegen. In diesem Wandel liegt zwar auch die Chance, denn gerade ohne uns als Handwerk werden beispielsweise energetische Sanierungen und Neubauten nicht funktionieren und das neue E-Auto kann nicht weit fahren, weil es keine Ladesäulen gibt – eigentlich ein schönes Konjunkturprogramm für viele Gewerke!

Wenn uns aber schon vor dem eigentlichen Beginn dieser klimapolitischen Wende die Kosten für die Maßnahmen beeinträchtigen und unsere Arbeit immer weniger kostentragend erbracht werden kann, dann wird gegenwärtig an den falschen Stellschrauben gedreht. Keine Frage: Durch höhere Preise soll auch eine gewisse Steuerung erreicht werden. Ruckartige steil nach oben zeigende Steigerungen sind aber vollkommen kontraproduktiv. Die Abschaffung einzelner Preisbestandteile beim Strom hat dabei eher Symbolcharakter und bremst das Preiswachstum nur geringfügig. Das nützt aber eben unseren Betrieben wenig, die diese Kosten eigentlich an die Kunden weitergeben müssen, die aber ebenso unter den hohen Preisen leiden.

Und so wird ein Schwerpunkt unserer Arbeit der kommenden fünf Jahre die kritisch-konstruktive Begleitung dieses Energie- und Klimatransformationsprozesses sein. Wir werden hier im stetigen Dialog mit den Verantwortlichen in Land, Bund und Europa unsere Interessen vertreten. Konkrete anschauliche Beispiele gibt es im Kammerbezirk genug.

Zweitens: Ausbildung ist der Schlüssel zum Erfolg im Handwerk. Sie gibt sichere Arbeit und eine Zukunftsperspektive für junge Menschen, stärkt die Wirtschaftsstrukturen vor Ort und sichert vor allem den Fortbestand der Betriebe. Das sind eigentlich alles Selbstverständlichkeiten. Und trotzdem bleiben Ausbildungsplätze unbesetzt. Trotzdem hat das Handwerk immer noch einen schlechten Ruf im Vergleich zu einer wissenschaftlichen Ausbildung an Universitäten und Fachhochschulen. Es muss endlich gelingen, dass ein Meister im Handwerk das gleiche Ansehen genießt wie ein Hochschulabsolvent. Das Qualifikationsniveau wäre das gleiche.

Um Meister zu sein, braucht es aber vorher eben jene Ausbildung und hier haben wir in den vergangenen zwei Jahren leider die Erfahrung machen müssen, dass ohne richtige Berufsorientierung in Schule und Betrieb das System nicht funktioniert. Digitale Kanäle sind das eine und helfen sicherlich ein Stück. Aber das Reinschnuppern in die Praxis kann man damit nicht abdecken. Wir müssen die Berufsorientierung in den kommenden Jahren weiter intensivieren. Wir müssen sie krisenfest machen und dabei einen guten Mittelweg zwischen neuen Instrumenten und bewährten Strukturen finden. Digitalisierung und praktisches Arbeiten dürfen kein Widerspruch mehr sein oder sich ausschließen. Hier müssen aber nicht nur Wege auf Kammerbezirks-Ebene beschritten werden. Es bedarf vielmehr landes- oder bundeseinheitliche Ideen und Maßnahmen, mit denen junge Menschen in eine Handwerksausbildung einsteigen können. Die Attraktivität dieser handwerklichen Ausbildung ist dabei die Eigenschaft, mit der wir punkten können und müssen.

Eines brauchen wir in diesem Zusammenhang aber mit Sicherheit nicht: Eine Ausbildungsplatzgarantie, wie es gerade während der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene immer wieder zu hören war. Ausbildungsplätze gibt es ausreichend, es fehlen vielmehr schlicht die Bewerber. Das belegen alle aktuellen Statistiken. Nur in der Politik scheint das noch nicht in Gänze angekommen zu sein.

Abschließend zum Dritten Punkt: Der Mangel an Baustoffen hat in den zurückliegenden Monaten Ausmaße angenommen, die so wohl noch niemand von uns erlebt hat. Egal ob Holz, Elektrokabel, Farben oder Beton – überall gab es einen Mangel oder die vorhandenen Produkte mussten zu Preisen eingekauft werden, die jegliche Kalkulation hinfällig machten. Das war zu großen Teilen der Corona-Pandemie geschuldet und der ganz unterschiedlichen globalen Nachfrage nach solchen Materialien. Hinzu kamen und kommen immer noch gestörte Lieferketten und weitere Krisen weltweit.

Diese Situation hat uns einmal mehr vor Augen geführt, dass dort, wo es möglich ist, regionale Wertschöpfungsketten eine Lösung sein können. Das hilft zwar nicht kurzfristig. Aber die aktuelle Lage hat den Anstoß gegeben, jetzt gemeinsam mit anderen Verbänden und Unternehmen an solchen Strukturen zu arbeiten und diese einzurichten. Denn nur das kann eigentlich die Lösung sein, die uns ein ganzes Stück weit unabhängiger macht von der weltweiten Entwicklung. Das ist aber – wie gesagt – eine Aufgabe, die nicht innerhalb weniger Wochen oder Monate erledigt sein wird. Es ist vielmehr eine Aufgabe, die auch weit über die kommenden fünf Jahre meiner Amtszeit als Präsident reicht. Aber jetzt die Grundlage für unser Handwerk zu schaffen, muss im Fokus stehen. Das Hauptamt leistet hier bereits wertvolle Arbeit. Der Freistaat unterstützt dieses Ansinnen auch, wenngleich es auch hier noch Potential gibt und einer stärkeren Sensibilisierung bedarf – und der Einsicht, dass Holz genauso ein wichtiger Rohstoff ist wie Sand, Kies oder Metalle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

vielleicht haben Sie sich bisher gewundert, dass ich den furchtbaren Krieg in der Ukraine noch nicht benannt habe. Das, was dort geschieht, ist auf das Schärfste zu verurteilen und eine Gefahr für jenes freie Europa, das wir so schätzen gelernt haben. Es sterben unschuldige Menschen in einem sinnlosen Kampf. Und ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal als Präsident der Handwerkskammer Chemnitz so etwas feststellen muss. Neben dem menschlichen Leid zeigt uns dieser Krieg aber einmal mehr, wie anfällig Gesellschaft und eben auch Wirtschaft für solche Krisen sind und was für Folgen das für jeden Einzelnen von uns hat.

Ich kann Ihnen heute auch nicht sagen, dass die eben genannten drei Punkte und der Fokus unserer kommenden Arbeit darauf so funktionieren werden. Oder schlittern wir noch in eine viel stärkere politische und wirtschaftliche Krise? Ich möchte es nicht hoffen und uns auch nicht wünschen. Gerade wir als Handwerk mit seinen jahrhundertealten Traditionen müssen daher jetzt zeigen, für was wir stehen: Für Qualität, für Expertise, für Wohlstand. Das sollten wir immer mit bedenken und danach handeln. Dann schaffen wir auch solche Krisen gemeinsam."

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