Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Vollversammlung
Es gilt das gesprochene Wort!
"Liebe Handwerkskolleginnen und Handwerkskollegen,
herzlichen Willkommen zur ersten Vollversammlung der Handwerkskammer im Jahr 2025, in dem Chemnitz nicht nur den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt trägt, sondern auch 365 Tage mit Leben füllt. Daher haben wir uns auch bewusst dafür entschieden, die Vollversammlung in der Stadt stattfinden zu lassen.
Eines hat die Kulturhauptstadt und der ganze Prozess auf alle Fälle: Es gibt ein Programm, das sich zwar manchmal noch ändert, aber das stets etwas zu bieten hat. Man kann darüber streiten oder auch einzelne Programmpunkte ablehnen. Das gehört ganz normal dazu. Es gibt auch ein Motto, das einprägsam ist, sicherlich auch streitbar.
Doch alles, was das Kulturhauptstadtjahr in Chemnitz ausmacht, suchen wir – um bei diesem Bild zu bleiben – bei der sächsischen Landesregierung bisher vergeblich. Es gibt zwar mit dem Koalitionsvertrag ein Programm, das aber seit seinem Inkrafttreten bisher nur beschriebenes Papier darstellt. Mehr nicht! Anders eben in der Kulturhauptstadt.
Liebe Vollversammlungsmitglieder,
bekanntlich nutze ich meine Worte zu Beginn unserer Zusammenkunft immer, um Ihnen eine Berichterstattung zu geben:
- zum aktuellen politischen Geschehen, vor allem in Sachsen, aber auch in Berlin;
- zu den drängendsten Problemen des Handwerks;
- zu positiven Meldungen.
In diesem Jahr fällt es mir vor allem bei Punkt 1 schwer, zu berichten, beziehungsweise könnte man diesen auch mit der Überschrift „Was soll man sagen?“ betiteln. Man hört und sieht von der sächsischen Staatsregierung recht wenig. Man hört viel vom Landeshaushalt und dem mühsamen Weg bis zu seiner Beschlussfassung, die dann gestern nach hartem Ringen endlich erfolgt ist. Und sonst?
Der Haushalt und der dazugehörige Prozess wären ja der geeignete Rahmen für uns als Kammern gewesen, Vorschläge zu machen, die mit in den Etat einfließen könnten. Das haben wir auch getan. Nur mussten wir dabei feststellen, dass viele in der Koalition immer noch nach dem Motto handeln, dass man durch eine sichere Mehrheit im Landtag schlicht Ideen und Hinweise von außen als wohlgemeint abbügeln kann – was aber eben nicht der Fall ist und man bekanntlich auf einige Stimmen aus dem Oppositionslager angewiesen ist. Das hat man gestern dann gesehen, wobei selbst bei den oppositionellen Mehrheitsbeschaffern von Grünen und Linken nicht alle Abgeordneten zugestimmt haben. Dennoch hatte man manchmal den Eindruck, dass Vertreter von CDU und SPD diese Realität verkennen und immer noch an diese eigene Landtagsmehrheit glauben. Das lässt für die Zukunft, in der Sachsen so wichtige Weichenstellungen vor sich hat, nicht unbedingt das Beste erwarten.
Weichenstellungen hätte es auch bei diesem Landeshaushalt gebraucht: Dass es ein Sparhaushalt werden würde, war von vornherein abzusehen und mit der richtigen Prioritätensetzung ist gegen diesen Weg nichts einzuwenden. Es gibt aber eben nicht nur die Prioritäten. Es gibt auch zusätzliche Optionen, die Spielräume schaffen. Sie ahnen es: ich meine die Möglichkeit zur Neuverschuldung, wo vor allem von Seiten der CDU nur Ablehnung gekommen ist. Wären wir in einer wirtschaftlich und auch politisch guten Lage sowie die öffentlichen Kassen gut gefüllt, so würde niemand an Neuverschuldung denken. Aber dem ist nicht so.
Daher ist es auch richtig, dass der Bund hier neue Optionen einräumt: Schuldenfinanzierte Investitionen in die Infrastruktur und auch die Möglichkeit für die Bundesländer, sich stärker neu zu verschulden. Das muss man dann CDU und SPD in Berlin lassen: Sie haben den Ernst der Lage vielleicht ein Stück besser erkannt als ihre sächsischen Regierungskollegen in gleicher Konstellation, obwohl selbst von den Landräten – im Übrigen alle mit CDU-Parteibuch beziehungsweise der Chemnitzer SPD-Oberbürgermeister – in unserem Kammerbezirk klar gesagt wird: Unsere Haushalte sind am Ende. Wir brauchen die Möglichkeit der Neuverschuldung des Bundeslandes, das dann wiederum – ich betone es ausdrücklich – einmalig die Mittel an uns gibt.
Das ist mehr als nur eine Bitte seitens der Landkreise. Wenn wir mit den Landräten sprechen, so ist das vielmehr ein Hilferuf, weil schlicht die Landkreise und auch die meisten Kommunen finanziell ausgeblutet sind und keine Handlungsfähigkeit mehr besitzen. Das Ansinnen der Landkreise haben wir als Kammer bewusst unterstützt, denn unser regional verortetes Handwerk, vor allem die Mitarbeiter und deren Familien, spüren doch als Erstes, wenn immer mehr Leistungen eingeschränkt werden. Wenn die Investitionen ausbleiben. Wenn Steuern und Gebühren immer weiter steigen. Wirtschaftliches Wachstum kann so auf Landesebene nicht generiert werden – ganz abgesehen davon, dass ja selbst im Landeshaushalt beispielsweise die Investitionsquote immer weiter absinkt. Hier braucht es ein Umdenken und die Neuverschuldung wäre die gute Möglichkeit, Zeit zu gewinnen, um die wirklichen strukturellen Defizite auf allen Ebenen langfristig anzupassen. Ob jetzt wirklich auch eine solche Neuverschuldung kommt, wie sie perspektivisch angedeutet wird, bleibt abzuwarten und ist angesichts der bisherigen Verweigerungshaltung der CDU auch keineswegs ausgemacht. Wenn dies – egal ob mittel- oder langfristig – nicht geschieht, so werden die Folgen überall zu spüren sein – auch bei uns als eigentlich auf gesunden Beinen stehender Handwerkskammer.
Und dabei ist ein auskömmlich finanzierter Etat so wichtig für uns:
- Bei der ÜLU-Finanzierung.
- Für die allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulzentren.
- Bei Förderprogrammen, wie GRW-Riga oder „Regionales Wachstum“.
Bei all dem herrscht Unsicherheit, weil wir seit sechs Monaten in einer haushaltspolitischen Schwebe verharren.
Diese Schwebe führt in gewisser Weise auch zu einer Lähmung innerhalb der Staatsregierung: Wir als Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Handwerkskammern haben in den 192 Tagen, in denen es eine Minderheitsregierung in Sachsen gibt, zu gerade einmal einem einzigen Gesetzentwurf – die Änderung des sächsischen Transparenzgesetzes – Stellung genommen. Ein einziger Entwurf! Dazu kommt noch, dass wir auf einfachste Fragen keine oder erst nach mehrmaliger Nachfrage Antworten erhalten. Ich werde mich hüten, der Staatsregierung ein Zeugnis auszustellen – wobei der für Schulzeugnisse zuständige Kultusminister noch am engagiertesten ist. Aber so kann man nicht agieren, selbst wenn Mehrheiten fehlen. Man kann auch nicht immer nur auf Berlin schimpfen. An vielen Stellen kann man auch selbst handeln. Man kann doch auch schon mögliche Entscheidungen vorbereiten und andiskutieren. Aber leider passiert hier nichts.
Was ist zum Beispiel mit den Corona-Hilfen, für die jetzt viele Einzelunternehmer seitens der SAB Rückzahlungsaufforderungen erhalten? Zwar werden diese Rückforderungen aktuell ausgesetzt – erfreulicherweise. Abschließend geklärt ist das dennoch nicht und die Unsicherheit bei den Betroffenen bleibt. Auch wenn hier aus Sicht der SAB wohl korrekt vorgegangen wird, sind die Rückforderungen existenzgefährdend für viele der Betriebe. Hier gemeinsam eine Lösung, die es in anderen Bundesländern ja gibt, zu finden, geht auch ohne parlamentarische Mehrheit, es geht im Gespräch miteinander. Aber selbst hier stößt man auf taube Ohren. Interessant dabei ist, dass Landtagsabgeordnete, die bis 2024 Minister waren und hier alle Entscheidungen mittrugen, jetzt aus der Opposition heraus plötzlich die Kämpfer für die von den Rückzahlungen Betroffenen sind. Man kann das kritisch sehen, aber immerhin kümmert sich jemand.
Liebe Vollversammlungsmitglieder,
jetzt habe ich viel zum Haushalt in Sachsen berichtet, ich habe auf die Staatsregierung geschimpft und das alles trotz meiner zu Beginn gestellten Frage: „Was soll man sagen?“ Beim Blick in Landtag, Staatskanzlei und Ministerien leider nicht viel.
Aber was soll und könnte man noch sagen, beispielsweise beim Blick nach Berlin:
- Auch hier fehlt weiterhin ein Haushaltsplan, der wohl auch erst nach dem Sommer kommen wird.
- Auch hier gibt es Dinge, die wir äußerst kritisch sehen, wie zum Beispiel einen politisch festgelegten Mindestlohn, obwohl es mit der Mindestlohnkommission ja bewährte Instrumente gibt, die nicht übergangen werden sollten. Oder der plötzliche Kursschwenk bei den Strompreisen, wo zwar das sogenannte verarbeitende Gewerbe entlastet werden soll. Handwerk, Dienstleistungen und vor allem die privaten Haushalte gehen – trotz Ankündigungen im Koalitionsvertrag und in Regierungserklärungen – aktuell leer aus.
- Gleichzeitig erleben wir auch einen Kanzler, der in den ersten Wochen im Amt sehr starke außenpolitische Impulse setzt – richtigerweise. Von dem man aber gleichzeitig zum Thema Wirtschaft bisher sehr wenig vernommen hat.
- Hier gibt es aber auch Dinge, die positiv sind: Ich hatte bereits von den großen Infrastruktur-Investitionen gesprochen. Man könnte aber auch die steuerlichen Entlastungen anführen, die für die Betriebe kommen sollen oder auch die besseren Abschreibungsmöglichkeiten.
Zum Abschluss möchte ich noch etwas besonders positives sagen, losgelöst von der politischen Ebene – und doch nicht nur kritisieren oder schimpfen. Aber es betrifft eben auch uns, das Handwerk im Kammerbezirk Chemnitz, über das ich als Präsident naturgemäß nicht schimpfen kann: Es sind die Ausbildungszahlen. Sie werden sich sicherlich denken: Jedes Mal hebt er diesen Wert besonders positiv hervor. Aber es ist nun mal eine der wichtigsten Kennziffern für uns als Handwerk. Ohne eigene Ausbildung geht es schlicht nicht. Und auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist: Ein Plus von 13,2 Prozent Ende Mai im Vergleich zum Vorjahr ist beeindruckend und zeigt
- trotz aller Krisen,
- trotz aller Unsicherheiten,
- trotz aller Bürokratie,
- trotz aller politischer Tatenlosigkeit
- trotz Konsumzurückhaltung der Kunden:
Ausbildung lohnt sich und vielleicht ist es genauso dieser positive Wert, denn wir als Orientierung nehmen müssen, um die konjunkturelle Durststrecke, in der wir uns immer noch befinden, zu überstehen und die politische Tatenlosigkeit, die wir bisher erleben, bei Seite zu schieben. Es gibt nicht viele Kammerbezirke in Deutschland mit solchen Entwicklungen. Darauf können wir und all unsere Mitgliedsbetriebe zurecht stolz sein.
Lassen Sie uns als Vollversammlung gemeinsam diesen Weg weiter gehen. Herzlichen Dank!"