Matthias Popp

Feras Raschu

„Mensch ist für mich Mensch“

Feras Raschu floh als 14-Jähriger Anfang der 90er nach Deutschland. Schnell landete er in Chemnitz und hat sich über verschiedenste Stationen seinem Traum immer weiter genähert: als Kfz-Meister selbstständig zu werden. Hier erzählt er seine Geschichte und die handelt von Akzeptanz, Veränderung und den zahlreichen beruflichen Möglichkeiten seiner Lieblingsstadt Chemnitz.

Die Situation damals im Irak war sehr schlimm. Für junge Menschen gab es keine Perspektive, weil das ganze System und damit auch die Schulen nicht mehr funktionierten. Ich wollte ein besseres Leben und in Deutschland studieren, aber meine Sprachkenntnisse reichten für ein Studium noch nicht aus. Also habe ich mir einen anderen Weg gesucht. Dass ich im technischen Bereich arbeiten wollte, war für mich immer klar.

Ich komme aus einer bäuerlichen Familie und habe meine Kindheit umgeben von Technik und landwirtschaftlichen Maschinen verbracht. Ich habe also zunächst in Chemnitz viele Praktika in verschiedenen Werkstätten gemacht. Damals waren die Lehrstellen noch knapp und ich bekam auf meine Bewerbungen nur Absagen. Eine Bewerbung bekam ich zurück mit einem Kreis um das Herkunftsland Irak in meinem Lebenslauf… Einige Zeit später klappte es dann mit einer überbetrieblichen Ausbildung, die 3,5 Jahre dauerte.

Während der Ausbildungszeit hatte ich viele Nebenjobs. Ich wollte die Sprache lernen und Kontakt mit Menschen haben. 1998 bis 2007 habe ich nebenbei in ganz Sachsen als Übersetzer gearbeitet – von Plauen bis Görlitz. Ich spreche vier Sprachen, unter anderem Kurdisch und Arabisch. Das wurde damals viel gebraucht. In der Zeit bin ich für ein halbes Jahr nach Köln gezogen – die große Stadt war mir aber zu stressig, also kam ich zurück nach Chemnitz. Es folgten drei Jahre in München, wo ich auf dem Bau gearbeitet habe – erst als Arbeiter, dann als Vorarbeiter und schließlich als Bauleiter. Das technische Verständnis dafür hatte ich ja. Nach einer Zwischenstation in Tschechien, wo ich als Mechaniker gearbeitet habe, kam ich 2012 wieder nach Chemnitz und entschied mich, meinen Meister in Teilzeit zu machen. 2016 wechselte ich zu meinem jetzigen Arbeitgeber ENCO GmbH und durfte auf Antrag bei der Handwerkskammer Chemnitz schon während der Ausbildung Meistertätigkeiten ausüben. Als ich mit dem Meister fertig war, dachte ich mir: Wenn ich einmal dabei bin, kann ich noch mehr machen. In der Meisterausbildung ist die Grundausbildung des geprüften Betriebswirts, also der kaufmännische Teil, enthalten und ich habe mich dann entscheiden, den erweiterten Betriebswirt dranzuhängen. Den Plan, selbstständig zu werden, habe ich immer noch. Mein derzeitiger Chef will selbst nicht mehr im Bereich Autotuning weitermachen, da könnte ich gut einsteigen. Ich spiele auch mit dem Gedanken, bei der HWK noch weitere Schulungen im E-Bereich zu machen. Dann kann ich an Hybrid- und E-Autos Reparaturen und Wartungen durchführen. In ganz Chemnitz gibt es keine freie Werkstatt, die das macht. Das wäre also eine gute Nische für mich. Mein Ziel ist es, in der Umgebung für die Umbauten, die ich mache, bekannt zu werden.

Ich hoffe, dass die junge Generation wieder mehr ins Handwerk geht, aktuell sind es wirklich wenige. Und vieles spricht dafür! Die Ausbildungszeit ist kürzer, man kann früher anfangen und gleich Geld verdienen. Das andere Problem, was ich festgestellt habe: Ich kenne viele junge Leute aus dem Ausland, die arbeiten und lernen wollen, es hier bei uns in der Umgebung aber sehr schwer haben. Auf der anderen Seite finden die Betriebe keine Lehrlinge und beklagen sich. Das passt nicht zusammen und ist Verschwendung von Zeit, Geld und Energie. Man sollte den Menschen die Gelegenheit geben, denn vielleicht haben sie echt was drauf. Die Menschen sind da!